Die Schwalben dürfen nicht verschwinden
In früheren Zeiten waren es Hunderte von Mehlschwalben, die in Rauenbergs Ortsmitte brüteten. Gegenwärtig sind es dagegen nur noch knapp30 Brutpaare. Damit es nicht noch weniger werden und der Bestand wiederwächst, haben jetzt Naturschutzverein und Verein der Vogelfreunde eine gemeinsame Aktion gestartet. Dafür war es nach Meinung von Hermann Greulich „allerhöchste Zeit“. „Die Mehlschwalben dürfen in Rauenberg nicht ganz verschwinden“, lautet sein Credo. Deshalb haben Mitglieder beider Vereine sowie der Feuerwehr Rauenberg und der Wieslocher Feuerwehr mit ihrer Drehleiter dieser Tage über 30 Schwalbennester in Rauenbergs Ortskern aufgehängt. Die Naturschützer und Vogelfreunde hoffen nun, dass die künstlichen Nisthilfen zügig bezogen werden, wenn die Mehlschwalbenin den kommenden Tagen aus ihren Winterquartieren in Afrika zurückkehren. Finanziert hat die Nester der Naturschutzverein mit Unterstützung des Rhein-Neckar-Kreises.
Heutzutage sind die wendigen Luftakrobaten immer mehr auf solche Unterstützung angewiesen. Weil es nämlich kaum mehr unbefestigte Feldwege gibt, finden die Schwalben immer weniger feuchten Lehm, den sie zum Bau ihrer Nester unter den Dachvorsprüngen der Häuser verwenden können. Da kommen ihnen die künstlichen Nester gerade recht. Laut Franz Sieber, dem Vorsitzenden des Naturschutzvereins, sind sie aus Holzzement gefertigt und bieten einiges an Wohnkomfort. Das Material ist atmungsaktiv und sorgt so dafür, dass sich Feuchtigkeit verflüchtigen kann. Und die Vogelfreunde tun ein übriges: „In jedes Nest legen wir ein bisschen Zigarrentabak. Das stört die Schwalben nicht, vertreibt aber Nestparasiten“, erklärt Hermann Greulich.
Die Nisthilfen sind auch noch aus einem anderen Grund von Vorteil. Nach der Ankunft müssen die Schwalben sich nicht erst um Materialsuche und Nestbau kümmern, sondern können sofort ihr Brutgeschäft beginnen. Auf diese Weise können sie pro Sommer zwei bis drei Bruten aufziehen, erläutern die Vogelkundler. Und je mehr Nester es gibt, umso größer ist auch die Überlebenschance des flügge gewordenen Nachwuchses. Denn bei langen Schlechtwetter-Perioden können die gegen Kälte empfindlichen Jungvögel in den überzähligen Quartieren Schutz suchen.
Auch deshalb sind die Vogel- und Naturschützer so dankbar, dass sich insgesamt fünf Hauseigentümer in der Ortsmitte bereiterklärt haben, die Nisthilfen anbringen zu lassen (zum Teil geschah dies sogar, nachdem die Außenfassaden frisch renoviert worden waren). Neue oder zusätzliche Schwalbennester erhielten die Anwesen Schüssele und Fröhlich, Hotz und Beck (alle in der Hauptstraße) sowie das Anwesen Vogel. Wie Hermann Greulich berichtete, freute sich Hauseigentümerin Marianne Hotz besonders über die neuen Schwalbennester. „Sie hatte dieser Tage Geburtstag und empfand die Nester als ihr schönstes Geburtstagsgeschenk“, erzählt der Vogelschützer. Auch Hausbesitzerin Hildegard Beck hat „gleich ja gesagt“, als die Naturfreunde sie wegen der Schwalbennester fragten. „Mir gefällt es, wenn die Vögel fliegen. Das ist doch schön“, freut sie sich auf die Schwalben. Um die Unannehmlichkeiten für die Hauseigentümer so gering wie möglich zu halten, wurden die Schwalben- Kolonien mit Kotbrettern versorgt, deren Anstrich Malermeister Rolf Sautner sogar exakt auf die Fassadenfarbe abgestimmt hat. Die Kotbretter müssen übrigens in einem Abstand von 35 bis 40 Zentimetern von den Nestern angebracht werden, sonst können die Schwalben, die ihre Nester von unten her ansteuern, sie nicht anfliegen.
Trotz dieser Maßnahmen weiß Naturschützer Franz Sieber, dass die gefiederten Untermieter den Hausbesitzern auch einiges an Toleranz abverlangen. Dafür bekommen sie aber auch etwas zurück: „Schwalben gelten von alters her als Glückbringer“, weiß er. Und nützlich sind sie obendrein. Das gilt für die Mehlschwalben genauso wie für ihre Vettern, die Rauchschwalben, die ihre Nester nicht an den Außenfassaden bauen, sondern in den Gebäuden, und meist in Ställen. Dort fangen sie die lästigen Fliegen weg und sind deshalb gern gesehene Gäste.
Wie Franz Sieber weiß, sollen Rauchschwalben ihren Namen daher haben, dass sie in früheren Zeiten an offenen Kaminen und Rauchabzügen brüteten. Auch an diese Schwalbenart mit der charakteristischen braunroten Kehle und dem tief gegabelten Schwanz haben die Rauenberger Vogelschützer gedacht: Auf dem Ihle Hof und dem Pferdehof Dumbeck in Rauenberg sowie auf dem Pferdehof Ebert in Rotenberg wurden insgesamt rund 20 Nisthilfen für Rauchschwalben angebracht.