Katastrophe inmitten von Feierstimmung

Vortrag über die Brandkatastrophe von Ludwigshafen

Kürzlich konnte Wieslochs Feuerwehr- Abteilungskommandant Jürgen Bodri einen besonderen Gast willkommen heißen. Brandamtmann Frank Bohm von der Ludwigshafener Berufsfeuerwehr war der Einladung in die Weinstadt gefolgt und hielt einen beeindruckenden Vortrag über die Brandkatastrophe vor zwei Jahren. Zahlreiche Feuerwehrleute aus Wiesloch und der Umgebung versammelten sich hierzu im Feuerwehrhaus, um sich die interessante Schilderung des Kameraden anzuhören.Ein schöner Tag, erinnert sich Frank Bohm, als er mit seinen Ausführungen beginnt. Er spricht vom 3. Februar 2008, dem Tag, an dem in Mannheim und Ludwigshafen ein großer Fastnachtsumzug stattfand, hunderttausende Zuschauer die Straßen der beiden Großstädte säumten und der mit einer Brandkatastrophe endete.Er selbst war damals als technischer Einsatzleiter eingesetzt, da auch die Rettungskräfte bei diesem Umzug mit zahlreichen Kräften vor Ort präsent waren. Just als sich die Menschenmassen aufzulösen begannen, kam es in Ludwigshafen zu einem der schwersten Wohnhausbrände seit dem zweiten Weltkrieg. Unweit der Einsatzleitung, in der Bohm stationiert war, brach ein Feuer in einem Mehrfamilienhaus in aus. Zu dieser Zeit hielten sich dutzende Menschen in dem Gebäude auf. Glücklicherweise konnten die meisten dieser Leute durch die sofort herbeieilenden Rettungskräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst gerettet werden.Dramatische Szenen haben sich abgespielt, betont Bohm, was den Zuhörern förmlich das Blut in den Adern gefrieren lässt. Er schildert die Anfangsminuten einer großangelegten Rettungsaktion, die Schwierigkeiten in der Verständigung mit den eingeschlossenen Personen; seine ganz persönlichen Eindrücke von diesen furchtbaren Minuten. Das Haus, in dem vornehmlich türkische Mitbürger wohnten, wurde vollständig zerstört, das Unglück riss neun Menschen in den Tod. Diese hohe Zahl der Opfer beherrschte in den folgenden Tagen die Presse und bewegt den Feuerwehrmann bis heute sichtlich. Es enttäuscht seine Kollegen und ihn, dass nirgendwo eine andere wichtige Zahl zu lesen war. Demnach haben die Rettungskräfte an diesem Tag in einer dramatischen Rettungsaktion 47 Menschen buchstäblich in letzter Minute das Leben gerettet, was den Feuerwehrmann trotz aller traumatischen Erlebnisse persönlich stolz macht. Fast an ein Wunder grenzte es, dass ganze eineinhalb Stunden nach Brandausbruch Atemschutzgeräteträger der Feuerwehr ein Kleinkind in Sicherheit bringen konnten. Kaum zu glauben, dass dieses Kind schon drei Tage später aus der Klinik entlassen werden konnte. Auch nach dem eigentlichen Brand war der Einsatz für die Feuerwehr keineswegs zu Ende gewesen. Bis am folgenden Samstag war Brandamtmann Bohm an der Einsatzstelle und konnte den Wieslocher Einsatzkräften auch die Geschehnisse in den Tagen nach dem Unglück näher bringen. Von großem Vorteil war es, dass die Ludwigshafener Berufsfeuerwehr einen türkischstämmigen Feuerwehrmann in ihren Reihen hat. Dieser verstand sich als Vermittler zwischen den Kulturen sowie zwischen Laien und Brandschützern. Gerade unterschiedliche Auffassungen von der Struktur der Feuerwehr und von deren Einsatz hatten im Anschluss an den Brand zu ungeheuerlichen Vorwürfen gegenüber der Feuerwehr geführt, die letztlich in einer regelrechten „Hetzkampagne“ in den Medien gipfelten. Erst die einfühlsame Vermittlung dieses Kollegen, die gründliche Arbeit der Ermittlungsbehörden und der medienwirksame Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten am Unglücksort konnten die Situation entschärfen und führten zu mehr Sachlichkeit bei der Aufbereitung dieses schlimmen Ereignisses.Für Frank Bohms Vortrag, der den Wieslocher Feuerwehrleuten und ihren Gästen einen sehr persönlichen Einblick in dieses tragische Geschehen vermittelte, bedankte sich Abteilungskommandant Jürgen Bodri herzlich. Ebenso dankte er dem Kameraden Michael Roth, der den Kontakt nach Ludwigshafen hergestellt hatte. In Zukunft möchte die Feuerwehr Wiesloch verstärkt auf die ausländische Bevölkerung zugehen und für ihre Arbeit werben. Dies soll dazu dienen, Barrieren und Verständnisprobleme abzubauen und die Sicherheit der betroffenen Bürger zu erhöhen. Auch für eine aktive Mitarbeit in den Reihen der Freiwilligen Feuerwehr sollen die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in noch stärkerem Maße gewonnen werden. Ein Paradebeispiel für die gelungene Integrationsarbeit einer Feuerwehr gibt es in der Abteilung Wiesloch: Orhan Bekyigit, selbst türkischstämmig und als Zugführer in leitender Position der Feuerwehr, gehört dieser seit 20 Jahren an und hat sein Hobby mittlerweile zum Beruf gemacht. Er leitet heute die Werkfeuerwehr der Heidelberger Druckmaschinen AG. Nach den Ereignissen in Ludwigshafen wurde er vom Präsidenten des Deutschen Feuerwehrverbands mit einem Integrationsprojekt beauftragt. Stolz ist man auch auf die große Zahl von Jungen und Mädchen türkischer Herkunft, die zur Wieslocher Jugendfeuerwehr zählen und ein Viertel der ihrer gesamten Mitglieder bilden. Ganze zwölf Kinder und Jugendliche gehören deren vier Jugendgruppen an.